Schade, dass nur relativ wenig Zuhörer erschienen waren. Lag es an dem Wagnis, im Titel „Otello“ gewissermaßen eine Fusion von Oper und Jazz zu versprechen, die beide Lager, die Jazz- und Opernfans, gleichzeitig abschreckte? Oder lag es an der unverständlichen organisatorischen Entscheidung, neben dem offiziellen Eröffnungskonzert – erstmalig in Arnstadt! – zeitgleich zwei weitere Konzerte im nahen Erfurt und Ilmenau anzubieten?
Wie dem auch sei, wer nicht dabei war, verpasste ein Konzert der Extraklasse, wie es von Dieter Ilg, dem „deutschen Charlie Mingus“, nicht anders zu erwarten war. Anknüpfungspunkt an Verdis berühmte Oper „Otello“ war insbesondere der berühmte, vom Kontrabass geführte Orchestersatz im vierten Akt, wie Dieter Ilg schmunzelnd verriet. Ansonsten war die zum Vorbild genommene Oper aber kaum wiederzuerkennen. Dem Dieter-Ilg-Trio gelang das Kunststück, sowohl die Dramatik der an Gewalt, Intrige und tragischer Liebe reichen Oper darzustellen und gleichzeitig Kammermusik vom Feinsten zu präsentieren: dramatische Kammermusik sozusagen.
Dies konnte nur gelingen mit Hilfe erstklassiger Musiker, die in der „E-Musik“ genauso zu Hause zu sein scheinen wie im Jazz. Liegt der Hauptsinn der „Thüringer Jazzmeile“ darin, die zahlreichen Spielarten des Jazz zu dokumentieren – der Jazz hat ja in den letzten hundert Jahren mehr Stilarten entwickelt als die Klassik seit dem Mittelalter -, ging das „Otello“ – Konzert noch hierüber hinaus, indem nicht nur etliche Jazzstile, sondern auch die Klassik zitiert wurden. Herausgekommen ist zum Vergnügen des Zuhörers ein sinnlicher italienischer Klangzauber, der Perfektion und Eleganz ausstrahlte.
Die drei Musiker – Dieter Ilg (b), Rainer Böhm (p) und Patrice Heral (d) – bildeten ein ideales Trio, um den Geist der Oper Klang werden zu lassen. Aber auch ohne diesen Opernaspekt konnte man das Ganze entspannt als großartiges Jazzkonzert genießen und sich immer wieder daran erfreuen, mit welch traumwandlerischer Sicherheit die Musiker sich die Bälle zuwarfen.
Großartig die originellen Techniken des Schlagzeugers, der nebenbei noch erfrischend modern sang und so den artifiziellen Operngesang ironisierte. Ebenso fantastisch der Pianist, der scheinbar mühelos von lyrischen Passagen in extrem freie wechseln konnte. Und dazwischen der Bassist, der sein Instrument mit atemberaubender Raffinesse beherrschte und mit seinen Mitstreitern ein Klangerlebnis schuf, das Perfektion und Spielfreude mit der Lust an Klang und Dynamik verband. So ließ sich das Publikum verzückt in diese eigenartige musikalische Welt entführen, bis man sich nach der Zugabe wieder auf dem nüchternen Boden der Tatsachen wiederfand.
Klaus Ehring / 11.10.11 / zuerst erschienen in der TA